Überblick
Gegenwärtige Situation
Opioidgebrauch in der Schweizer Wohnbevölkerung
Die Kategorie der Opioide umfasst morphinähnliche natürliche und synthetische Substanzen, von denen Heroin die am weitesten verbreitete Droge ist. Die Ergebnisse der für die Schweizer Bevölkerung ab 15 Jahren repräsentativen CoRolAR-Befragung 2016 zeigen, dass 0.7% der Befragten in ihrem Leben schon einmal Heroin genommen haben. Der Anteil der Personen mit Einnahme von Heroin in den 12 Monaten vor der Befragung liegt bei 0.0%, ebenso wie der Anteil mit Gebrauch in den letzten 30 Tagen. Eine Unterschätzung dieser Prävalenzen ist allerdings wahrscheinlich, da ein sozial sanktioniertes Verhalten in telefonischen Befragungen verschwiegen werden kann. Des Weiteren sind marginalisierte Bevölkerungsgruppen wie aktuell Drogenkonsumierende über Telefonbefragungen schwierig zu erreichen.
Auch wenn die Anzahl der von der CoRolAR-Befragung 2016 erfassten aktuell Gebrauchenden für verlässliche Aussagen über ihre Zusammensetzung zu gering ist, kann trotzdem festgehalten werden, dass sich der grösste Anteil der Personen, die mindestens einmal im Leben Heroin gebraucht haben, zwischen 25-34 Jahren (1.1%), 35-44 Jahren (1.1%) und 45-54 Jahren (1.6%) findet. Alle Indikatoren stimmen darin überein, dass Männer wesentlich stärker betroffen sind als Frauen (Lebenszeitprävalenz: Männer: 1.0%, Frauen: 0.4%). Es zeigen sich keine Unterschiede bezüglich der Sprachregionen.
Gemäss der Schülerbefragung HBSC 2018 belief sich die Lebenszeitprävalenz für Heroingebrauch auf 0.7% bei 15-jährigen Jungen und 0.5% bei gleichaltrigen Mädchen.
Schwelle des Problemgebrauchs
Trotz relativ geringer Prävalenzen des Heroingebrauchs in der Bevölkerung ist es allgemein anerkannt, dass bereits eine einmalige Einnahme von Heroin problematisch ist, da diese Substanz schnell zu einer starken Abhängigkeit führt und mit erheblichen Problemen der Integration und der öffentlichen Gesundheit verbunden ist (Ausgrenzung; Risiko einer HIV-Infektion und von Hepatitis durch Teilen des Spritzbestecks, Risiko einer tödlichen Überdosis).
Entwicklung und Tendenzen
Konsumtendenzen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen
Die verfügbaren Daten lassen nur vorsichtige Aussagen über Entwicklungen beim Heroingebrauch zu. Berücksichtigt man die Ergebnisse der zwischen 1992 und 2012 durchgeführten Schweizerischen Gesundheitsbefragung (SGB) zur Lebenszeitprävalenz bei 15- bis 24-Jährigen, in der Regel die Altersgruppe, in welcher der erstmalige Gebrauch stattfindet (vgl. Kapitel Alter beim ersten Konsum), kann ein Rückgang in den Anteilen festgestellt werden (vgl. Abbildung SGB - Lebenszeitprävalenz des Heroingebrauchs bei 15- bis 24-Jährigen (1992-2012)). Allerdings sollten diese Ergebnisse mit Vorsicht interpretiert werden, da die Anzahl Personen mit Heroingebrauch relativ gering ist. Die Ergebnisse der CoRolAR-Befragungen 2011 bis 2016 variieren zwischen 0.0% und 0.4% und unterscheiden sich somit kaum von den Ergebnisse der SGB-Befragung 2012.
SGB - Lebenszeitprävalenz des Heroingebrauchs bei 15- bis 24-Jährigen (1992-2012)
Anmerkungen: | SGB (1992-2012): "Haben Sie schon Heroin genommen?"; für n < 30 werden Werte in Klammern angegeben, für n < 10 werden keine Werte angegeben |
Quelle: | Eigene Berechnung auf Basis der Datenbank SGB. |
Entwicklung der Verzeigungen wegen Verstössen gegen das BetmG
Bei den Verzeigungen wegen Heroingebrauchs kann in den letzten 10 Jahren ebenfalls ein Rückgang festgestellt werden (2009: 7'376 Verzeigungen; 2017: 4'373).
Vergleiche mit Nachbarländern
Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) weist darauf hin, dass in Europa, nach mehreren Höhepunkten im Heroingebrauch in den vergangenen vierzig Jahren, heute tendenziell weniger Personen anfangen, Heroin zu nehmen (EBDD, 2014). Gemäss den zur Verfügung stehenden Daten den Opioidgebrauch betreffend scheint die Situation in den Nachbarländern ebenso wie in der Schweiz stabil zu sein, und zwar unabhängig davon, ob die Gesamtbevölkerung oder Jugendliche und junge Erwachsene betrachtet werden.
Indikatoren der Problemlast
Spezialisierter Behandlungsbereich
Bis 2016 war Opioidgebrauch nach Alkohol und Cannabis das häufigste Hauptproblem von Personen, die wegen Abhängigkeit oder Substanzmissbrauch Hilfe in einer am Monitoringsystem act-info teilnehmenden Institution suchten. Seit 2017 liegt neu Kokaingebrauch an Dritter Stelle. Bei den kontinuierlich am Monitoring teilnehmenden Institutionen ist die Zahl der Eintritte infolge von Opioidgebrauch zuerst leicht angestiegen, dann aber um mehr als die Hälfte zurückgegangen. Diese Daten schliessen aber die Nachfrage nach Substitutionsbehandlungen mit Methadon, die in der Schweiz die geläufigste Betreuungsform sind, nicht ein.
Hospitalisierungen
Bei den wegen Problemen im Zusammenhang mit Opioidgebrauch im Krankenhaus behandelten Personen ist die meistgestellte Diagnose das Abhängigkeitssyndrom. Nach den Resultaten der Medizinischen Statistik der Krankenhäuser wurden 2008 wegen eines Hauptproblems mit einer Opioidabhängigkeit insgesamt 12 Personen auf 100'000 Einwohner hospitalisiert. In den letzten 10 Jahren kann ein starker Rückgang dieser Anzahl festgestellt werden (1999: 43 Fälle auf 100'000 Einwohner).
Mortalität
Ein signifikanter Rückgang kann auch bei den direkt mit dem Gebrauch von Betäubungsmitteln in Verbindung stehenden Todesfällen beobachtet werden. Änderungen in der Art der Kodierung erlauben es zwar nicht, die genaue Anzahl der durch Opioide bedingten Fälle zu bestimmen, aber diese Substanzgruppe ist aller Wahrscheinlichkeit nach Ursache einer überwiegenden Mehrheit der im Zusammenhang mit Drogengebrauch berichteten Todesfälle (gemäss Analysen der EBDD in mehreren europäischen Ländern in der Regel zwischen 80% und 90%). Innerhalb von 20 Jahren ist die Anzahl der drogenbedingten Todesfälle von 376 (1995) auf 132 (2015) zurückgegangen, mit einem Tiefpunkt im Jahr 2012 (121 Fälle).
Mit der Konsumart verbundene Risiken
Bezüglich der Risiken im Zusammenhang mit der Form des Gebrauchs zeigt das Monitoringsystem act-info, dass zwischen 2004 und 2013 rund 50% der Personen, die wegen eines Hauptproblems mit Opioidgebrauch eine Behandlung angefangen haben, in den sechs bzw. zwölf Monaten vor dem Eintritt injiziert haben. Seither liegt der Anteil deutlich darunter (2016 rund 23%).
Soziale Kosten
Die direkten sozialen Kosten durch Gebrauch von illegalen Drogen wurden für das Jahr 2000 auf 1.4 Milliarden Franken geschätzt und die indirekten Kosten auf 2.3 Milliarden Franken (Jeanrenaud et al., 2005), allerdings wurden die unterschiedlichen Substanzen und namentlich Heroin nicht separat ausgewiesen. Der dem Heroingebrauch zuzuschreibende Anteil steht jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach an erster Stelle.
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